Die Fleischindustrie geriet in den Fokus der Presse, nachdem in einem Fleischverarbeitungsbetrieb etwa 260 der 1.200 Mitarbeiter positiv auf CoViD-19 getestet wurden. Ein weiterer Betrieb meldete insgesamt rund 400 Erkrankte. Dies ruft „faktenfreie Informationen“ einzelner Politiker und Gewerkschafter auf den Plan. Klöckner und die Minister Heil und Spahn möchten dem mit einem Runden Tisch entgegenwirken. In diesem Blogbeitrag möchten wir ein kurzes Schlaglicht auf die aktuellen Ereignisse werfen. Außerdem stellen wir den Fünf-Punkte-Plan des Verbandes der Fleischwirtschaft vor.
Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie
Nicht erst, aber besonders nach dem Bekanntwerden der Corona-Fälle stehen nicht nur Aspekte wie das Tierwohl oben auf der Liste. Wie steht es um die Hygiene in fleischverarbeitenden Betrieben? Wie werden die Mitarbeiter in der Fleischindustrie untergebracht und versorgt?
Für rund 80.000 Beschäftigte gilt der Mindestlohn von 9,35 Euro. Die Branche ließ dennoch verlautbaren, dass die Beschäftigten versicherungspflichtig angestellt seien und Tarifverträgen unterlägen. Offizielle Zahlen, was die Unterbringung der Arbeitskräfte angeht, gibt es dabei nicht. Die Fleischindustrie streitet allerdings nicht ab, dass die Mitarbeiter in Sammelunterkünften untergebracht sind. Das können sowohl leerstehende Wohnungen als auch Kasernengebäude sein. Das hat einen einfachen Grund: Bei Einzelunterbringung der Kräfte steigen die Kosten für Wohnungsmieten erheblich, sodass viele, besonders kleinere, Betriebe nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Warum kein Arbeitsstopp in der Fleischindustrie?
Die Chefin des Verbands der Fleischwirtschaft, Heike Harstick, wehrte sich gegen die Vorwürfe. Die schlechte Unterbringung der Mitarbeiter sei nicht der Grund für die Corona-Fälle. Anders als etwa die Automobilbranche konnte die Fleischindustrie die Arbeit nicht unmittelbar auf Eis legen. Schließlich müsse die Lieferung von Nahrungsmitteln auch in Krisenzeiten gewährleistet werden. Harstick sieht die Schuld nicht ausschließlich bei der Fleischindustrie bzw. der Versorgung und Unterbringung der Arbeitskräfte.
Doch ist der Deutschen liebstes Nahrungsmittel nur deshalb so günstig, weil die Arbeiter auf Schlachthöfen nicht gut genug bezahlt werden? Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille: Die Öffentlichkeit ist über die Corona-Fälle verständlicherweise erschrocken, wünscht sich aber trotzdem Fleisch zu niedrigen Preisen.
Fleischindustrie in den USA gleichermaßen betroffen
Nicht nur in Deutschland gelten Fleischbetriebe als Hotspots für Infektionen mit dem Corona-Virus. Auch in den USA werden vermehrt Fälle von Erkrankungen mit der Lungenkrankheit bekannt. Viele Fleischfabriken stehen still, doch Präsident Trump ordnet eine Wiederaufnahme der Arbeit an, damit die Fleischversorgung gewährleistet ist.
Aber dort sind die Arbeitsbedingungen alles andere als ideal. Die Fließbandgeschwindigkeit von Schweine- oder Hähnchenfleisch wurde zuletzt noch gesteigert. Dadurch stehen die Mitarbeiter Schulter an Schulter und können meist nicht frei atmen, weil ihre Kondition zusätzlich gefordert wird. Dadurch setzen sie die vorgeschriebenen Atemmasken meist komplett ab. Es stellt sich außerdem die Frage, ob die kalte, schnell zirkulierende Luft die Verbreitung des Virus zusätzlich begünstigt.
In den USA werden die Mitarbeiter aus der Fleischindustrie ebenfalls zu mehreren Personen in platzsparenden Unterkünften untergebracht. Anders als in Deutschland befinden sich die Fleischfabriken dort auf dem flachen Land, wo es weniger Einwohner gibt. Die Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus ist dahingehend also geringer. Dennoch sind die Menschen dort auf die Arbeitsplätze angewiesen. Wenn sie den mit rund 15 Dollar Stundenlohn bezahlten Job nicht annehmen, sind sie arbeitslos. Der Ballungsraum für Tätigkeiten in der Fleischindustrie ist dort nämlich vergleichsweise gering. Dementsprechend gibt es wenig Konkurrenz, denn rund 80 % der Fleischversorgung wird von insgesamt vier Unternehmen gestemmt.
Durch das Corona-Virus sind die Fleischunternehmen dazu angehalten, bei Krankheit den Lohn fortzuzahlen. Außerdem werden die Stundensätze erhöht, um Arbeiter anzulocken. So sollen bereits Infizierte das Virus nicht zurück in die Fabriken tragen und neu Angestellte nicht zusätzlich anstecken.
Strengere Auflagen und Regeln für die Fleischindustrie
Das Corona-Virus ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass nun in der Fleischindustrie deutlich strengere Auflagen eingeführt werden. So sollen in Zukunft keine Arbeitskräfte aus Billiglohn-Ländern in Fleischbetrieben eingesetzt werden. Ab dem 1. Januar 2021 dürfen somit nur noch Mitarbeiter des eigenen Unternehmens Tätigkeiten ausführen. Wichtig ist, dass die neue Regelung nicht für das Fleischereihandwerk mit seinen Kleinstbetrieben gilt. Damit die Neuauflagen eingehalten werden, soll es in Zukunft strengere und häufigere Kontrollen geben. Bei Nichteinhaltung drohen saftige Bußgelder.
Die Minister Julia Klöckner und Hubertus Heil stehen hinter diesen neuen Auflagen, während die Fleischindustrie sich diskriminiert fühlt. Die Rede ist von „willkürlicher Diskriminierung“. Denn die Erledigung bestimmter Arbeiten in einer bestimmten Größenordnung darf nun nicht mehr von Werksarbeitern erledigt werden. Laut VdF drohen gravierende wirtschaftliche Schäden und dass ein Teil der Fleischproduktion ins Ausland abwandere.
Verband der Fleischindustrie legt Fünf-Punkte-Plan vor
Nachdem die Fälle von Corona-Erkrankten in der Fleischindustrie bekannt wurden, legte der Verband der Fleischwirtschaft einen Fünf-Punkte-Plan vor. In Briefen an die Bundeskanzlerin und weitere Minister des Kabinetts schlägt der VdF vor, seit 2014 bestehende Maßnahmen verbindlich einzuführen. Das betrifft unter anderem die Selbstverpflichtungen der Betriebe bezüglich der Unterbringung der Werkvertragsarbeitnehmer.
Fazit
Die wichtigste Erkenntnis aus diesem Fünf-Punkte-Plan ist, dass die Fleischindustrie nicht für Einzelfälle verantwortlich gemacht werden darf. Es sollten bundesweite Gesetze auf den Weg gebracht werden. Dabei werden nicht nur Unternehmen einbezogen, bei denen es keine Defizite in den kritisierten Bereichen Tierwohl, Arbeitszeit und Unterbringung gibt.