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11. November 2021

Reformulierung: Veränderte Zusammensetzung für gesündere Lebensmittel

Warum wird die Reformulierung von Lebensmitteln umgesetzt? Am 19. Dezember 2018 wurde zur Erreichung dieses Ziels in Deutschland die Nationale […]

Warum wird die Reformulierung von Lebensmitteln umgesetzt?

Am 19. Dezember 2018 wurde zur Erreichung dieses Ziels in Deutschland die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten (NRI) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft verabschiedet. Sie basiert auf Gesprächen, an denen Vertreter der Bundesregierung sowie von Verbänden und Institutionen aus den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Lebensmittelwirtschaft, Verbraucherschutz und Wissenschaft beteiligt waren.

Einigkeit besteht darüber, dass es gilt

  • eine gesunde Lebensweise zu fördern,

  • den Anteil übergewichtiger bzw. adipöser Menschen an der Bevölkerung (v. a. bei Kindern und Jugendlichen) zu senken und

  • die Häufigkeit des Auftretens nichtübertragbarer, durch die Ernährung mitbedingter Krankheiten zu verringern – z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes mellitus Typ 2.

Erreicht werden soll dies durch die Optimierung der Nährstoffzusammensetzung von Fertigprodukten – die Reformulierung.

Was versteht man unter Reformulierung?

Per Definition handelt es sich bei der Reformulierung bzw. Reformulation um die „Veränderung der Rezeptur industriell verarbeiteter Lebensmittel durch Reduktion von Fett, Salz und Zucker, um deren Gesundheitswert zu steigern.

Zu diesem Zweck setzen Hersteller von Fertig- und Halbfertigprodukten auf verschiedene Maßnahmen. Zahlreiche bekannte Produzenten arbeiten seit Jahren daran, die Zusammensetzung ihrer Produkte unter ernährungsphysiologischen Aspekten zu verbessern. Ungesunde Inhaltsstoffe in Fertigprodukten wie Pizza, Frühstückszerealien und Fruchtjoghurts werden sukzessive reduziert und zum Teil durch andere, vorteilhaftere ersetzt.

Nicht immer wird dies offen kommuniziert. Manche Hersteller nehmen eine „stille Reformulierung“ vor, weil sie befürchten, die Verbraucher durch zu viele Informationen darüber gegebenenfalls zu verunsichern. Andere Unternehmen werben hingegen sogar mit ihren Rezepturänderungen, die den Kunden schließlich zugutekommen sollen.

Weniger ist mehr: Reduktion ungünstiger Inhaltsstoffe

Bis 2025 wollen Lebensmittelverbände im Rahmen der Innovationsstrategie gemeinsam getroffene Prozess- und Zielvereinbarungen umsetzen. Der Milchindustrieverband beabsichtigt zum Beispiel, den Gesamtzuckergehalt von gesüßten Kindermilchprodukten im Vergleich zum Jahr 2016 um 15 % zu senken. Der Hintergrund: Da das Geschmacksempfinden früh im Leben geprägt wird, stehen Produkte für Kinder besonders im Fokus – der Handlungsbedarf wurde erkannt. Mehrere Getränkehersteller streben eine Reduktion des Zuckergehalts ihrer Erfrischungsgetränke um 15 % an. Die im Deutschen Tiefkühlinstitut zusammengeschlossenen Pizzahersteller haben sich darauf geeinigt, den Salzgehalt ihrer Pizzen auf durchschnittlich 1,25 g pro 100 g zu reduzieren.

Reformulierung: Herausforderung für die Lebensmittelindustrie

Immer mehr Lebensmittelproduzenten stellen sich der Herausforderung, ihren Beitrag zur Zielerreichung der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie zu leisten. Ein Anreiz besteht für sie darin, den in Deutschland 2020 als freiwillige Angabe eingeführten Nutri-Score ihrer Produkte zu optimieren.

Die schwierige Aufgabe: Das positive Geschmackserlebnis muss trotz Rezeptänderung erhalten bleiben. Doch bekanntlich sind Fett, Zucker und Salz nicht nur Geschmacksträger, sondern beeinflussen auch die Haltbarkeit und Konsistenz von Lebensmitteln. Es braucht also eine clevere Vorgehensweise und viele Versuchsreihen, um schmackhafte, möglichst lange haltbare Fertigprodukte mit angenehmer Textur herzustellen, die der Verbraucher akzeptiert. Zur Reduktion der drei Inhaltsstoffe bedient man sich unterschiedlicher Verfahren.

Reduktionstrategien: Ersatzstoffe und innovative Technologien

Eine wichtige Rolle bei der Reformulierung von Produkten spielt die Ballaststoffanreicherung. Die Reduktion von Fett, zum Beispiel in Wurst, kann durch den Ersatz dieses Inhaltsstoffes kompensiert werden. Hier kommen pflanzliche Fasern ins Spiel, die den Volumenverlust ausgleichen. Damit lassen sich viele Produkte anreichern, ohne Geschmack und Konsistenz negativ zu beeinflussen. Die Energiedichte in der Nahrung sinkt durch einen hohen Ballaststoffanteil. Das wiederum wirkt sich positiv auf den Nutri-Score des betreffenden Produkts aus.

Für die Fettreduktion nutzen viele Hersteller außerdem gepulste elektrische Felder. Durch die Anwendung dieses Verfahrens verändert sich die Oberflächenbeschaffenheit von Lebensmitteln, sodass beispielsweise Kartoffelprodukte beim Frittieren weniger Fett aufnehmen. Alternativ bietet es sich an, bei Zutaten wie Käse oder Milchpulver auf fettreduzierte Varianten zurückzugreifen.

Da auch die Qualität der Fette sich entscheidend auf den Nutri-Score auswirkt, werden Fette im Zuge der Reformulierung mitunter durch andere ersetzt. So hat die Radeberger Fleisch- und Wurstwaren Korch GmbH ihrer Leberwurst beispielsweise statt Speck versuchsweise Rapsöl und -fett zugesetzt. Dadurch bleibt das typische cremige Mundgefühl erhalten, während die ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren das Nährstoffprofil der Wurst verbessern.

Verschiedene Wege führen zum Ziel

Durch technologische Verfahren wie die Hochdruckbehandlung lässt sich die Strukturbildung von Lebensmitteln beeinflussen, sodass diese beispielsweise ohne Salzzugabe Wasser binden können. Eine andere Möglichkeit, um den Salzanteil von Produkten zu verringern, ist die Verwendung von Zutaten mit geringerem Natriumgehalt. Bei Wasser-in-Öl-Emulsionen – zum Beispiel Mayonnaisen, Saucen und Salatdressings – kann durch Ultrahochdruckhomogenisation eine Verkleinerung des Fetttröpfchendurchmessers erreicht werden. Das Ergebnis: mehr Stabilität bei reduziertem Fettgehalt.

Um eine Zuckerreduktion zu erreichen, kommen vielfach Zuckeraustauschstoffe, natürliche Süßungsmittel oder Süßstoffe zum Einsatz. Es können aber auch spezielle Mikroorganismen eingesetzt werden, um mittels Fermentation den Zuckergehalt von Lebensmitteln zu senken.

Durch die Verwendung von gecoatetem Zucker oder Salz lässt sich der Zucker-/Salzgehalt von Lebensmitteln ebenfalls reduzieren, und zwar über einen veränderten Verteilungsgrad im Produkt. Das Coating – also ein Überzug – umschließt die Zucker- bzw. Salzkristalle. Dadurch wird der Geschmack beim Verzehr des Produkts gezielt freigesetzt und es muss für dasselbe gute Geschmackerlebnis weniger Zucker oder Salz verwendet werden. Bei Produkten mit reduziertem Salzgehalt lässt sich der empfundene Salzgeschmack außerdem durch die gleichzeitige Wahrnehmung anderer Grundgeschmacksarten positiv beeinflussen.

Das Potenzial multisensorischer Effekte bei der Reformulierung ist hoch. Die kontinuierliche Forschung und Weiterentwicklung von Verfahren werden sicher in Zukunft noch viele neue Erkenntnisse und Methoden hervorbringen.

Freiwillige Selbstverpflichtungen

Die Supermarktkette Kaufland reduziert seit 2015 bei Produkten ihrer Eigenmarke K-Classic Zucker, Salz und Fett. Das Unternehmen legt Wert darauf, dass es sich um eine reine Reduktion ohne den Einsatz von Ersatz- wie beispielsweise Süßstoffen handelt. Damit der Genuss darunter nicht leidet, muss lange an neuen Rezepturen getüftelt werden. Ein Team von Experten kümmert sich um Rezepturanpassungen bei rund 300 Artikeln des Kaufland-Sortiments.

Auch andere Händler reagieren und nehmen Anpassungen bei ihren Produkten vor. REWE hat zum Beispiel unter Berücksichtigung von Kundenwünschen den Zuckergehalt von Schokoladenpudding reduziert. Darüber hinaus verpflichtete REWE sich selbst dazu, bei mindestens 50 % der relevanten Eigenmarken-Artikel wie Speiseeis, Zerealien, Brot und Getränken den Zucker- und Salzgehalt zu verringern. Lidl möchte bis 2025 den Zucker- und Salzanteil bei Produkten seiner Eigenmarken um 20 % reduzieren. Aldi kündigte ebenfalls eine Zuckerreduktion an.

Rezepturen im Sinne der Verbraucherakzeptanz planvoll ändern

Die Lebensmittelindustrie entwickelt ihre Erzeugnisse ständig weiter, damit sie Ernährungstrends und Konsumentenwünschen entsprechen. Rezepturen werden daher von Zeit zu Zeit angepasst. Gravierende sensorische oder technologische Einbußen sollten bei der Reformulierung von Produkten jedoch vermieden werden.

Generell empfiehlt es sich für Hersteller, schrittweise vorzugehen, um die Konsumenten langsam an einen neuen Geschmack, eine andere Optik und/oder ein verändertes Mundgefühl zu gewöhnen. Auch die Haltbarkeit sollte ähnlich sein wie beim bereits bekannten Fertigprodukt. Realisiert der Produzent eine große Veränderung zu schnell, akzeptiert der Verbraucher das Produkt nicht und es bleibt im Regal liegen. Um ihn zu überzeugen und nicht zu überfordern, muss die Anpassung der Rezeptur oft stufenweise erfolgen. Denn die Kaufentscheidung trifft letztendlich der Kunde.

11.11.2021

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